Eine Welt in den Händen der Kirche der Alltag
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Eine Welt in den Händen der Kirche

Kunst und Kultur
Die Kirche gehört zur Welt wie der Sauerstoff, den alle Lebewesen atmen. Sie definiert jeden Aspekt des Alltagslebens und noch so vieles mehr. Seit Hunderten von Jahren prägt die Ecclesia Matris das Weltgeschehen und das Denken der Menschen – was sie sagt, wird Gesetz. Kunst, Kultur, Technik – alles gedeiht ausschließlich unter den wachsamen Augen der Gottmutter. Jedenfalls behauptet die Kirche das allzu gern.

Doch in den letzten zwei Jahrhunderten wurde die Unzufriedenheit größer, der Wunsch nach einer Welt ohne kirchliche Bestimmung wuchs. Versuchte die Kirche am Anfang noch, gewaltsam gegen das Aufbegehren vorzugehen, entschloss man sich nach vielen zivilen Opfern und immer größer werdendem Unmut dazu, die strikten Vorgaben ein wenig zu lockern. Von da an wurde nicht jedes verschleiert kritische Wort bestraft, Theaterstücke durften einen gewissen Grad an Kritik beinhalten, und Lieder über Freiheit ohne Gottmutterbezug wurden nicht strengstens verboten. Kleine Zugeständnisse mit einem großen Effekt. Heute gibt es manch ein Kind mit wagemutigen Eltern, die ihren Sprössling nicht indoktrinieren und zu einem frei denkenden Wesen erziehen. Wie lange die Kirche das durchgehen lässt, hängt einzig und allein von der Präsenz des Exercitus Matris ab.

Bildung
Gebildete Menschen sind ein Risiko. Das hat die Kirche bereits früh erkannt und Maßnahmen dagegen ergriffen. Neben der Überwachung der frei verfügbaren Informationen ist die Kirche in jeder Schule zugegen. Sie bestimmt den Lehrplan, entscheidet, welche frommen Schülerinnen und Schüler mehr als die Standardbildung erhalten. Ein Mindestmaß an Wissen ist erlaubt, doch es ist an Bedingungen geknüpft: tiefe Frömmigkeit, völlige Loyalität. Wer nicht folgen will, bleibt unwissend. Wer Fragen stellt, hat keinen Platz. Als einziger Ausweg bleibt dann oft nur eine Tätigkeit in einer Legion.

Innovationen und Unternehmen
Nichts ist moderner als die Ecclesia Matris. Ihre Macht nutzte sie bereits früh, um sich die Erfindungen und Errungenschaften großer Denker zu eigen zu machen. Gibt es eine neue technische Spielerei, wird sie von der Kirche auf den Markt gebracht. Ihr gehören alle ertragreichen Unternehmen auf der Welt, sei es in der Kommunikationsbranche, der Lebensmittelherstellung oder der Waffenindustrie. Ohne gute Kontakte zur Kirche und den damit einhergehenden Kirchensteuern schafft es niemand, sein Produkt auf den Markt zu bringen. Damit sichert sich die Kirche ihre Vormachtstellung in allen Bereichen des Lebens.

Kommunikation
Der größte Standpfeiler der Macht der Kirche ist so einfach wie gefährlich. Neben dem Militär als ausführender Einheit sichert sich die Kirche ihre Position durch die Kontrolle sämtlicher Kommunikationswege. Was in den Nachrichten läuft, entscheidet die Kirche. Regimekritik? Undenkbar. Alle Medien – Zeitungen, Onlinemagazine, sogar Schmuddelhefte – berichten nur das, was die Kirche vorgibt. Wer abweicht, existiert nicht mehr lang genug, um den eigenen Nachruf zu veröffentlichen.

Doch die Informationskontrolle endet nicht mit den öffentlichen Medien. Zu wissen, was das Volk denkt, ist enorm wichtig, um dagegen handeln zu können. Daher bedienen sie sich im Namen der Gottmutter an allem, was im Internet oder auch über Messenger geschrieben wird. Wer nicht in einer Korrekturanstalt landen möchte, sollte seine Kritik höchstens mündlich äußern – alles andere wird selbstredend als Beweis für Ketzerei gesehen. Dabei sollte man stets beachten: Was heute noch erlaubt ist, könnte morgen die schlimmste Gottmutterlästerei sein und mit der Todesstrafe geahndet werden.

Der beste Weg, der Kirche zu dienen
Die Ecclesia Matris erwartet nicht viel von den Menschen: ein frommes Leben, bedingungslose Treue und unfrevelhaftes Verhalten. Kritik an der Vorgehensweise und den Ansichten der Kirche ist dem treuen Volk fremd – sie tun alles, ohne zu hinterfragen. Ein Kirchgang mindestens einmal die Woche ist Pflicht, alles andere wird bereits als bedenkliches Verhalten gesehen. Daneben ist ein Dienst in einem Kirchenunternehmen von Vorteil, ansonsten reicht auch ein Ehrenamt. Dies ist das Mindeste – mehr Einsatz wird stets wohlwollend zur Kenntnis genommen.

Ketzerei und ihre Folgen
Nicht selten werden aus Meinungen oder Taten, die heute noch erlaubt sind, morgen Straftaten. Die Kirche macht die Gesetze – und das ausschließlich zu ihrem Vorteil. Der Grat zwischen Frömmigkeit und Ketzerei ist sehr schmal und wandert ständig. Sollte man in die Verlegenheit kommen, negativ aufzufallen, kann man im besten Fall nur mit dem Verlust von Privilegien rechnen Wer nie welche hatte, verliert die Freiheit. Diese Menschen können sich nicht auf den Schutz der Ecclesia Matris oder des Exercitus Matris verlassen. Sollte man es allerdings zu weit getrieben haben oder man gar – möge die Gottmutter bewahren – zur Gefahr werden, ist man schneller verschwunden, als man das Gottmutter unser beten kann.
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